📝 Neuer Artikel! „Keine Worte für Gefühle“ Alexithymie beeinflusst die Aktivität des sozialen Gehirns während der Emotionserkennung bei autistischen Erwachsenen

Emotionserkennung und Autismus

Experimente zur Emotionserkennung sind ein Klassiker in der Autismusforschung. Die Idee dahinter ist ganz einfach: Emotionserkennung gilt als wichtige Voraussetzung für das Verstehen anderer Menschen. Probleme bei der Emotionserkennung könnten daher eine mögliche Erklärung für viele autistische Besonderheiten in der sozialen Interaktion sein. Jahrzehnte der Forschung ergeben ein eindeutiges Bild: „Es ist kompliziert“. Beim Erkennen emotionaler Gesichtsausdrücke zeigen autistische Menschen im Durchschnitt mehr Probleme als nicht-autistische Menschen. D.h. wenn wir eine große Gruppe autistischer Menschen mit einer großen Gruppe nicht-autistischer Menschen vergleichen, finden wir sehr wahrscheinlich einen (signifikanten) Unterschied im Mittelwert der beiden Gruppen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Autist*innen per se Probleme bei der Emotionserkennung haben. Das tatsächliche Bild ist sehr viel durchmischter. Es gibt Autist*innen mit starken Emotionserkennungsproblemen, mit leichten Emotionserkennungsproblemen und solche, die sehr gut in der Lage sind Emotionen zu erkennen. Ebenso gibt es in der nicht-autistischen Bevölkerung Menschen mit besseren und schlechteren Emotionserkennungsfähigkeiten.

Die Alexithymie-Hypothese

Wenn Emotionserkennungsprobleme also kein primäres Merkmal von Autismus sind, stellt sich die Frage, warum sie dennoch so häufig bei autistischen Menschen auftreten und ob es  eine andere Ursache dafür geben könnte. Eine mögliche Erklärung liefert die „Alexithymie-Hypothese“. Alexithymie ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das wörtlich übersetzt „keine Worte für Gefühle“ bedeutet. Menschen mit erhöhter Alexithymie haben Schwierigkeiten, ihre eigenen Gefühle zu erkennen und zu beschreiben und konzentrieren sich eher auf Dinge, die sie sehen oder anfassen können, als auf ihre eigenen emotionalen Erfahrungen, oder die anderer Menschen. Der Grad der Alexithymie einer Person kann mit verschiedenen Fragebögen gemessen werden, z.B. wie in unserer Studie mit der Toronto Alexithymie Skala-26. Alexithymie selbst ist keine medizinische Diagnose, gilt aber als Risikofaktor für verschiedene psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen. Auch in der autistischen Bevölkerung ist stark ausgeprägte Alexithymie relativ häufig. Während in der Gesamtbevölkerung die Wahrscheinlichkeit einer erhöhten Alexithymie bei etwa 5 Prozent liegt, beträgt dieser Wert in der autistischen Bevölkerung etwa 50 Prozent. Verschiedene Studien zeigen, dass Alexithymie auch mit Problemen beim Erkennen von Emotionen bei anderen Menschen einhergeht. Die Alexithymie-Hypothese geht nun davon aus, dass Probleme in der Emotionserkennung bei Autist*innen auf das Vorhandensein einer begleitenden Alexithymie zurückgeführt werden können. Wir haben diese Hypothese erstmals durch die Kombination eines Verhaltensexperiments mit der gleichzeitigen Messung der Hirnaktivität (funktionelle Magnetresonanztomographie = fMRT) untersucht. Das fMRT kann zusätzlich zu den Verhaltensdaten Informationen über die zugrunde liegenden Verarbeitungsprozesse liefern. Das heißt, wir sehen nicht nur, wie gut oder schlecht unsere Versuchspersonen die Aufgabe lösen, sondern auch, ob es Unterschiede in der Aktivität bestimmter Hirnareale gibt, die mit bestimmten Verarbeitungsprozessen assoziiert sind, wie z.B. visuelle Aufmerksamkeit, Gesichtsverarbeitung oder soziale Kognition. Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie lassen sich so auch Prozesse der „impliziten“ Emotionsverarbeitung von solchen der „expliziten“ Emotionsverarbeitung unterscheiden. Unter impliziter Emotionsverarbeitung verstehen wir Prozesse, die unbewusst und automatisch ablaufen, sobald wir eine Emotion wahrnehmen, unabhängig davon, ob wir uns gezielt darauf konzentrieren oder nicht. Explizite Emotionsverarbeitung findet dagegen nur statt, wenn wir uns bewusst mit den wahrgenommenen Emotionen beschäftigen oder unsere Aufmerksamkeit von außen gezielt darauf gelenkt wird.

Die Emotionserkennungsaufgabe

In der Autismusforschung herrscht noch Uneinigkeit darüber, inwieweit die Emotionserkennungsschwierigkeiten autistischer Menschen (soweit vorhanden) auf Probleme bei der impliziten (unbewussten) oder bei der expliziten (bewussten) Emotionserkennung zurückzuführen sind. Außerdem wurde die Alexithymie-Hypothese noch nie im Zusammenhang mit impliziter Emotionsverarbeitung untersucht. Aus diesem Grund haben wir in unserem Experiment drei verschiedene Aufgaben präsentiert: Geschlechtserkennung bei neutralen Gesichtsausdrücken (Kontrollbedingung), Geschlechtserkennung bei emotionalen Gesichtsausdrücken (implizite Emotionserkennung) und Emotionserkennung bei emotionalen Gesichtsausdrücken (explizite Emotionserkennung). Diese drei Bedingungen ermöglichen es, die verschiedenen Prozesse, von denen wir in der Aufgabe ausgehen, getrennt zu betrachten: bei der Kontrollbedingung und der impliziten Emotionserkennung haben die Versuchspersonen die gleiche Aufgabe („Welches Geschlecht hat die Person?“). Der einzige Unterschied zwischen den Bedingungen ist der Ausdruck der Gesichter (neutral oder emotional). Das bedeutet, dass sämtliche Unterschiede in der Hirnaktivität zwischen den Bedingungen auf die implizite Verarbeitung der Emotionen zurückgeführt werden können. Im Gegensatz dazu ist der einzige Unterschied zwischen expliziter und impliziter Emotionserkennung die Aufgabe: in beiden Bedingungen sehen die Versuchspersonen emotionale Gesichter. In der einen Bedingung sollen sie das Geschlecht, in der anderen die Emotion bestimmen. Alle Unterschiede in der Hirnaktivität zwischen diesen Aufgaben können daher der expliziten Emotionserkennung zugeschrieben werden (für eine visuelle Darstellung der Aufgabe und des Versuchsablaufs siehe Abbildung 1).

Abbildung 1. Ablauf des Experiments. Die verschiedenen Bedingungen wurden in Blöcken von je 8 Gesichtern präsentiert (Geschlechtserkennung = Kontrollbedingung). Zu Beginn jedes Blocks wurde den Versuchspersonen die Aufgabenstellung präsentiert. Im Anschluss wurden die Gesichter zusammen mit den Antwortmöglichkeiten nacheinander gezeigt. Die Blöcke wurden in zufälliger Reihenfolge abgespielt. Zwischen den Blöcken gab es jeweils eine längere Ruhephase. Diese ist notwendig, um mögliche Übertragungseffekte länger anhaltender Aktivierungen zu vermeiden und um die Hirnaktivität im Ruhezustand zu messen.

Was wir erwartet haben

Bei der Planung des Experiments haben wir verschiedene Vorhersagen (Hypothesen) für unsere Ergebnisse formuliert. Das Aufstellen von Hypothesen ist ein wichtiger Schritt in der Forschung, um eine möglichst objektive Interpretation der Ergebnisse zu gewährleisten und die Theorien nicht willkürlich an die gerade gefundenen Ergebnisse anzupassen (für eine bildliche Darstellung des Problems siehe Abbildung 2). Auf der Verhaltensebene gingen wir davon aus, dass autistische Versuchspersonen mehr Fehler bei der expliziten Emotionserkennung machen als nicht-autistische Versuchspersonen und außerdem mehr Zeit für ihre Antworten brauchen. Bei der impliziten Emotionserkennung und der Kontrollbedingung erwarteten wir keine Unterschiede im Antwortverhalten. Außerdem erwarteten wir gemäß der Alexithymie-Hypothese, dass sich die Emotionserkennungsprobleme insbesondere bei autistischen Versuchspersonen mit erhöhter Alexithymie zeigen.  Auf Ebene der Hirnfunktion erwarteten wir ebenfalls Unterschiede zwischen autistischen und nicht-autistischen Versuchspersonen, sowie Unterschiede die mit dem Vorhandensein einer erhöhten Alexithymie zusammenhängen. Diese Unterschiede erwarteten wir vor allem im Gesichtsverarbeitungssystem und in verschiedenen Regionen des sozialen Gehirns (siehe Originalpublikation für nähere Informationen).

Abbildung 2. Bildliche Darstellung warum Hypothesen wichtig sind. „Es ist leicht, sein Ziel zu treffen, wenn man es nach dem Schießen auswählt. Aber man lernt auf diese Weise nichts.“ (https://jaydaigle.net/blog/hypothesis-testing-part-3/). Illustration von Dirk-Jan Hoek, CC-BY

Die Studie

Für unsere Studie wurden die Daten von 120 erwachsenen Versuchspersonen untersucht. Die eine Hälfte der Versuchspersonen hat eine Autismus-Diagnose, die andere Hälfte bildet die nicht-autistische Vergleichsgruppe. Zur Untersuchung der Alexithymie-Hypothese wurde die Autismus-Gruppe zusätzlich in eine Gruppe mit und eine Gruppe ohne begleitende Alexithymie unterteilt. Die autistischen Versuchspersonen haben im Rahmen der FASTER/SCOTT Begleitstudie an zwei Messterminen wiederholt verschiedene Messungen und Verhaltensaufgaben innerhalb und außerhalb des MRT-Scanners durchgeführt. Für die hier vorgestellten Ergebnisse wurden nur die Daten des ersten Messtermins untersucht (mehr Informationen zur FASTER/SCOTT Begleitstudie hier). Die Versuchspersonen lagen während der Aufgabe im MRT-Scanner und ihre Antworten wurden über ein Antwort-Pad aufgezeichnet. Die Antwortmöglichkeiten waren „männlich“ oder “weiblich“ bei den Bedingungen mit Geschlechtserkennung und „traurig“ oder „ängstlich“ bei der expliziten Emotionserkennung.

Was wir herausgefunden haben

Unsere Verhaltensdaten zeigen, dass autistische Versuchspersonen im Durchschnitt mehr Fehler bei der Beurteilung emotionaler Gesichtsausdrücke machen. Die Analyse der Antwortgeschwindigkeit deutet zudem darauf hin, dass die Probleme möglicherweise bereits in frühen Verarbeitungsphasen der Gesichtserkennung beginnen, da autistische Proband:innen bereits bei der Geschlechtserkennung im Durchschnitt langsamer sind als nicht-autistische Proband:innen. Entgegen unserer Erwartungen zeigt sich kein Zusammenhang zwischen begleitender Alexithymie und Emotionserkennungsproblemen im Antwortverhalten.

Abbildung 3. A) Darstellung Antwortgeschwindigkeiten der Versuchspersonen aufgeteilt nach Gruppenzugehörigkeit und Bedingung. Jeder Punkt repräsentiert die durchschnittliche Geschwindigkeit einer Versuchsperson innerhalb einer Bedingung. Die Kästchen (Boxplots) geben Aufschluss über die Verteilung der Werte. Sternchen zeigen signifikante Gruppenunterschiede an. B) Darstellung der Antwortgenauigkeit der Versuchspersonen aufgeteilt nach Gruppenzugehörigkeit und Bedingung.
ASD+ = Autismus-Gruppe mit begleitender Alexithymie, ASD- = Autismus-Gruppe ohne begleitende Alexithymie, NC- = nicht-autistische Vergleichsgruppe ohne Alexithymie. Explicit = Explizite (bewusste) Emotionserkennung, Implicit = Implizite (unbewusste) Emotionserkennung, Neutral = Neutrale Kontrollbedingung.

Auf Ebene der Hirnfunktion finden wir ein gegenläufiges Bild: ein Vergleich der Hirnaktivität autistischer und nicht-autistischer Versuchspersonen während der Aufgabe ergibt keine signifikanten Unterschiede. Der Vergleich autistischer Versuchspersonen mit und ohne begleitende Alexithymie zeigt dagegen, dass Alexithymie die Gehirnaktivität während der Emotionserkennung deutlich beeinflusst.

Abbildung 4. A) Abbildung der signifikanten Aktivierungsunterschiede zwischen autistischen Versuchspersonen mit und ohne begleitende Alexithymie in Zusammenhang mit der expliziten Emotionserkennung. Alle gefundenen Unterschiede zeigen eine niedrigere Aktivierung in Versuchspersonen mit Alexithymie. MTG = Medial Temporal Gyrus, IPG = Inferior Parietal Gyrus. B) Abbildung der signifikanten Aktivierungsunterschiede zwischen autistischen Versuchspersonen mit und ohne begleitende Alexityhmie in Zusammenhang mit der impliziten Emotionserkennung. Alle gefundenen Unterschiede zeigen eine höhere Aktivierung in Versuchspersonen mit Alexithymie. PCG = Precentral Gyrus, TPJ = Temporoparietal Junction.
ASD+ = Autismus-Gruppe mit begleitender Alexithymie, ASD- = Autismus-Gruppe ohne begleitende Alexithymie. IMP = Implizite Emotionserkennung, EXP = Explizite Emotionserkennung. NEU = Neutrale Kontrollbedingung.

Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse also, wie so oft in der Forschung: „Es ist kompliziert“. Das Antwortverhalten unserer Versuchspersonen scheint der Alexithymie-Hypothese zu widersprechen, während die Analyse der Hirnaktivität auf einen Einfluss von Alexithymie auf die Emotionsverarbeitung hindeutet. Wir interpretieren die Ergebnisse so, dass begleitende Alexithymie die Emotionsverarbeitung autistischer Personen zwar beeinflusst, aber nicht als alleinige Erklärung für die bestehenden Probleme bei der Emotionserkennung herangezogen werden kann. Eine andere mögliche Erklärung für Emotionserkennungsprobleme autistischer Menschen könnten grundlegende Schwierigkeiten in der Gesichtswahrnehmung sein. Darauf deuten die Unterschiede in der Antwortgeschwindigkeit der Kontrollbedingung hin. Außerdem könnte diese Vermutung auch erklären, warum wir auf Ebene der Hirnfunktion keine Unterschiede zwischen autistischen und nicht-autistischen Versuchspersonen gefunden haben: unsere Aufgabe war nicht darauf ausgelegt, Veränderungen in der allgemeinen Gesichtswahrnehmung aufzudecken. Dafür hätte es einer weiteren Kontrollbedingung ohne Gesichter bedurft. Zudem deuten die gefundenen hirnfunktionellen Unterschiede im Zusammenhang mit Alexithymie auf unterschiedliche „Lösungsstrategien“ hin. Diese angenommenen Strategien scheinen zumindest in unserem Experiment zu einem ähnlichen Ergebnis zu führen, da das Antwortverhalten autistischer Versuchspersonen mit und ohne Alexithymie vergleichbar war.

Offene Fragen

Unsere Ergebnisse konnten die Alexithymie-Hypothese also weder bestätigen, noch widerlegen. Sie werfen aber spannende Fragen auf, die in weiterführenden Studien gezielt untersucht werden können:

  • Wie hängen Schwierigkeiten in der Gesichtserkennung und der Emotionserkennung im Autismus zusammen?
  • Und sollte sich der Zusammenhang bestätigen: Welche Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Probleme in der Gesichtserkennung?
  • Nutzen autistische Personen mit Alexithymie tatsächlich andere Strategien der Emotionserkennung? Und wenn ja:
    • Wie unterscheiden sich diese Strategien von anderen?
    • Sind diese Strategien in Alltagssituationen zielführend?

Durch die Beantwortung dieser Fragen können in Zukunft möglicherwiese gezieltere Hilfsangebote für autistische Menschen entwickelt werden.

Stärken und Schwächen unserer Studie

Natürlich hat unsere Studie, wie jede andere auch, ihre Schwächen und Grenzen. So wurden in unserer Studie zum Beispiel nur autistische Personen ohne intellektuelle Einschränkungen untersucht. Unsere Schlussfolgerungen können also nicht auf das gesamte Autismus-Spektrum übertragen werden. Die Emotionserkennungsaufgabe im Scanner war zudem sehr künstlich und alles andere als alltagsnah. In wieweit sich die Erkennungsschwierigkeiten, die wir im Scanner gefunden haben, also auf soziale Interaktionen im Alltag übertragen lassen, konnten wir hier nicht beantworten. Ebenso können wir keine Aussagen über Alexithymie im Allgemeinen treffen, sondern nur über begleitende Alexithymie im Autismus, da wir keine alexithyme, nicht-autistische Vergleichsgruppe hatten. Weitere Einschränkungen eher technischer und methodischer Natur finden sich im Originalartikel.

Eine große Stärke unserer Studie ist die im Vergleich zu ähnlichen Studien große Stichprobengröße. Da es sich bei unserer Studie um ein Begleitprojekt zur bisher größten kontrollierten und randomisierten Psychotherapiestudie bei Erwachsenen mit Autismus handelt, entspricht die klinische und psychometrische Erfassung der autistischen Versuchspersonen höchsten Qualitätsstandards.

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden, die unsere Forschung durch ihren großen Einsatz ermöglicht haben.

 Sie finden den Originalartikel hier (Open-Access Publikation).

Beitrag von Simon Kirsch geschrieben

Der überraschende Nutzen davon, jemandem in Not zu helfen

Neuer Artikel in “Psychology Today”: Der überraschende Vorteil davon, jemandem in Not zu helfen

Haben Sie schon einmal einen Horrorfilm ganz allein angesehen? Sicher würden die meisten Menschen so einen Film lieber mit dem*der Partner*in oder einer befreundeten Person ansehen. Natürlich ist es beruhigend, eine*n Begleiter*in zu haben, welche*r Sie in stressigen Situationen beruhigen kann. Aber der Effekt kann auch andersherum wirken: Wenn man eine andere Person tröstet, kann das helfen, den eigenen Kummer zu lindern.

In einem spannenden fMRI-Experiment untersuchte Simón Guendelmann die Vorteile der Regulierung der Emotionen eines Partners und wie sich die Regulierung der Emotionen anderer von der Regulierung der eigenen Emotionen im Gehirn unterscheidet. Ein Artikel auf der Website von “Psychology Today” beschreibt diese Forschung und gibt einen guten Überblick über die Studie.

Den Artikel in “Psychology Today” finden Sie hier und die Originalstudie in “NeuroImage” hier

📝 Subjektive und objektive Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung emotionaler Gesichtsausdrücke durch dynamische Reize

Den Originalartikel finden Sie hier (open access).

Ist es schwierig, Gefühle zu lesen? Das kann es sein. Ist es immer gleich schwierig? Nein. Warum? Das war die Frage in unserer Studie.

Hintergrund

Manchen Menschen fällt es leichter, den Gefühlsausdruck anderer Menschen zu lesen, und das ist in verschiedenen Situationen unterschiedlich. Aber warum? Liegt es an dem Beobachter? An der Person, die den Ausdruck zeigt? An der Emotion selbst? Oder ist es vielleicht ein Zusammenspiel aus all diesen Faktoren?

Wir stellten diese Fragen, indem wir untersuchten, wie die folgenden Faktoren die Schwierigkeit der Emotionswahrnehmung beeinflussen:

  • Alter und (selbst angegebenes) Geschlecht des Beobachters
  • Alter und Geschlecht des Akteurs
  • Valenz (positiv/negativ) und Erregung der dargestellten Emotion

WARUM UND WIE?

Hey, gibt es nicht schon viele Arbeiten darüber? Ja, es gibt eine ganze Reihe von Arbeiten über “Emotion 𝘳𝘦𝘤𝘰𝘨𝘯𝘪𝘵𝘪𝘰𝘯”. Sie haben uns eine Menge gelehrt, aber ein Problem ist, dass sie von einer “Grundwahrheit” ausgehen – der richtigen Antwort. Wenn Sie z. B. die folgende Emotion auf dem Bewegtbild benennen müssten, wie würde sie lauten?

Was auch immer Sie gerade gedacht haben, Ihre Antwort wäre richtig, wenn sie mit der in einer Studie festgelegten Bezeichnung übereinstimmt. Wie lautet sie? Normalerweise die Absicht des Schauspielers. Aber was ist, wenn der Schauspieler “verwirrt” gemeint hat und alle Teilnehmer sagen, es sei “überrascht”? Liegen sie dann alle falsch? Nun, das ist schwierig.

Wir interessierten uns für die 𝘥𝘪𝘧𝘧𝘪𝘤𝘶𝘭𝘵𝘺 𝘰𝘧 𝘱𝘦𝘳𝘤𝘦𝘱𝘵𝘪𝘰𝘯: wie schwer ist es, eine Emotion zu lesen? Wichtig war, dass wir zwischen 𝘀𝘂𝗯𝗷𝗲k𝘁𝗶𝘃𝗲r (Selbsteinschätzung) und 𝗼𝗯𝗷𝗲k𝘁𝗶𝘃𝗲r-Schwierigkeit (wie weit liegt Ihre Antwort von der anderer Personen ähnlicher Kultur und ähnlichen Geschlechts ab) unterschieden.

Dazu verwendeten wir ein “multidimensionales Emotionswahrnehmungssystem”, bei dem 441 Beobachter die wahrgenommene Emotion entlang einer Reihe von Dimensionen (Grundemotionen + Interesse) bewerteten, anstatt aus den traditionell verwendeten diskreten Kategorien von Emotionen (“glücklich”, “überrascht” usw.) zu wählen.

Ergebnisse

Unsere Daten haben gezeigt, dass die subjektive und objektive Wahrnehmung von Emotionen schwieriger ist für:

  • ältere Schauspieler
  • weiblichen Schauspielern (komplexere Signale?)
  • weibliche Beobachter (weniger Selbstvertrauen und/oder Erfassen von mehr Feinheiten?)


Außerdem unterschätzten Männer und die jüngsten/ältesten Teilnehmer ihre Schwierigkeit (die subjektive Schwierigkeit war geringer als die objektive).

Die Auswirkungen von Valenz und Erregung waren komplizierter (siehe Abbildung unten und in der Veröffentlichung nachzulesen), aber insgesamt sind stimulusspezifische Faktoren (Valenz und Erregung) für die Schwierigkeit wichtiger als personenspezifische Faktoren (Alter/Geschlecht des Akteurs/Beobachters).

take-home message:

  • wir haben die Schwierigkeit der Emotionswahrnehmung (nicht der Erkennung) gemessen
  • das neue Paradigma ist empfindlicher und erfasst ein breiteres Bild der menschlichen Emotionswahrnehmung (man beachte die überraschend höhere objektive Schwierigkeit für Frauen)

Überrascht? Interessiert? Verwirrt? Sprechen Sie uns an, wir freuen uns auf ein Gespräch!

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📣 Language is action! Terminologie-Leitfaden für die Autismus-Forschung

Die Autismus-Forschungs-Kooperation (AFK) hat einen Leitfaden für eine entstigmatisierende und inklusive Verwendung von Sprache in der Autismus-Forschung für unser Team erstellt.

Der Leitfaden für den Sprachgebrauch in der Autismus-Forschung wurde in Anlehnung an die Empfehlungen von Bottema-Beutel et al. (2021), den Publikationsrichtlinien zur Terminologie der Fachzeitschriften “Autism” und “Autism in Adulthood” sowie der Diskussion im Rahmen der Autismus-Forschungs-Kooperation (AFK) entwickelt.
Der Leitfaden beinhaltet Empfehlungen für die Verwendung von diagnostischen Begriffen sowie der Bezeichnung von Subgruppen und Vergleichsgruppen in klinischen Studien. Dabei sollen medizinisch geprägte und wertende Begriffe vermieden werden und durch eine neutrale oder auf Stärken basierende Sprache ersetzt werden.

Das PDF zum Leitfaden finden Sie hier:
Der Download des PDFs ist weiter unten möglich.

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Neuer Artikel! 📝 Pupillare Reaktionen auf Gesichter werden durch Vertrautheit und belohnenden Kontext moduliert

Jeden Tag sehen wir Dutzende von Gesichtern. Sie tragen eine Menge Informationen, eine davon ist Feedback und Belohnung für unsere Handlungen. Wenn wir zum Beispiel etwas tun und unser Freund oder unsere Freundin daraufhin lächelt, ist das belohnend. Auf der anderen Seite sehen wir manchmal Menschen lächeln, aber dieses Lächeln ist keine Reaktion auf unsere Handlungen. Wenn lächelnde Gesichter per se belohnend sind, sollten wir uns in beiden Situationen belohnt fühlen. Wenn jedoch der Belohnungswert von Gesichtern von unseren Handlungen abhängt, ist das Lächeln nur in der ersten Situation belohnend. Daher haben wir in dieser Studie verglichen, wie Menschen lächelnde Gesichter verarbeiten, wenn sie als Feedback dienen und wenn sie einfach auf dem Bildschirm erscheinen. Weiterhin unterscheiden sich Gesichter darin, wie vertraut (bekannt, erkennbar) und sozial relevant (persönlich wichtig) sie sind. Wir stellten die Hypothese auf, dass vertrautere und relevantere Gesichter auch belohnender sind (wenn sie Feedback geben). Wir fanden heraus, dass 1) Vertrautheit eine größere Rolle spielt als soziale Relevanz bei der Verarbeitung von belohnenden lächelnden Gesichtern, und dass 2) lächelnde Gesichter nur dann belohnend sind, wenn sie als Reaktion auf bestimmte Handlungen geliefert werden, und nicht, wenn wir sie passiv auf einem Bildschirm betrachten.

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Den Originalartikel finden Sie hier (Open-Access-Publikation).

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Neuer Artikel! 📝 Multidimensionale Sicht auf soziale und nicht-soziale Belohnungen

Soziale Belohnungen werden in experimentellen Entwürfen oft mit nicht-sozialen Belohnungen verglichen: Ein beliebtes Paar ist Geld (nicht-sozial) vs. ein Lächeln (sozial). Wir vergessen jedoch oft, dass Geld und Lächeln sich in viel mehr Dimensionen als nur in ihrer Sozialität unterscheiden. Zum Beispiel ist Geld greifbar, ein Lächeln aber nicht. Können wir dann aufschlussreiche Schlussfolgerungen über die Unterschiede in der Gehirnverarbeitung von sozialer und nicht-sozialer Belohnung ziehen? Wir argumentieren, dass wir dazu eine mehrdimensionale Sichtweise auf Belohnungen anwenden müssen.

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Den Originalartikel finden Sie hier (Open-Access-Publikation).

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Neuer Artikel! 📝 Autistische Züge beeinflussen die Erwartung, aber nicht Rezeption einer Belohnung

Personen mit Autismus können aufgrund einer verminderten Empfindlichkeit ihres Gehirns für soziale Stimuli (wie Gesichter, Sprache, Gesten usw.) Probleme bei der sozialen Interaktion mit anderen Menschen haben. Da Autismus ein Spektrum ist, das von neurotypischen Personen mit wenig oder keinen autistischen Merkmalen auf der einen Seite und niedrig funktionierenden Personen mit Autismus auf der anderen Seite reicht, haben wir die Gehirnreaktionen auf soziale und nicht-soziale Belohnungen bei über 50 neurotypischen (d.h. nicht mit Autismus diagnostizierten) Teilnehmenden gemessen, die sich in ihrem Grad an autistischen Merkmalen unterscheiden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass autistische Merkmale selbst bei neurotypischen Teilnehmern die Art und Weise beeinflussen, wie ihre Gehirne Belohnungen verarbeiten!

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