Jeden Tag sehen wir Dutzende von Gesichtern. Sie tragen eine Menge Informationen, eine davon ist Feedback und Belohnung für unsere Handlungen. Wenn wir zum Beispiel etwas tun und unser Freund oder unsere Freundin daraufhin lächelt, ist das belohnend. Auf der anderen Seite sehen wir manchmal Menschen lächeln, aber dieses Lächeln ist keine Reaktion auf unsere Handlungen. Wenn lächelnde Gesichter per se belohnend sind, sollten wir uns in beiden Situationen belohnt fühlen. Wenn jedoch der Belohnungswert von Gesichtern von unseren Handlungen abhängt, ist das Lächeln nur in der ersten Situation belohnend. Daher haben wir in dieser Studie verglichen, wie Menschen lächelnde Gesichter verarbeiten, wenn sie als Feedback dienen und wenn sie einfach auf dem Bildschirm erscheinen. Weiterhin unterscheiden sich Gesichter darin, wie vertraut (bekannt, erkennbar) und sozial relevant (persönlich wichtig) sie sind. Wir stellten die Hypothese auf, dass vertrautere und relevantere Gesichter auch belohnender sind (wenn sie Feedback geben). Wir fanden heraus, dass 1) Vertrautheit eine größere Rolle spielt als soziale Relevanz bei der Verarbeitung von belohnenden lächelnden Gesichtern, und dass 2) lächelnde Gesichter nur dann belohnend sind, wenn sie als Reaktion auf bestimmte Handlungen geliefert werden, und nicht, wenn wir sie passiv auf einem Bildschirm betrachten.
Den Originalartikel finden Sie hier (Open-Access-Publikation).
WIE GESICHTER VERTRAUT, RELEVANT UND BELOHNEND SIND
Jeden Tag sehen wir Dutzende von Gesichtern und jedes von ihnen trägt mehrere Informationen: darüber, wer die andere Person ist, wie sie sich fühlt, woran sie denkt, wie sie auf uns reagiert. Da Gesichter so wichtige soziale Signale darstellen, muss unser Gehirn sie schnell und präzise verarbeiten. Tatsächlich hat sich das menschliche Gehirn im Laufe der Jahrtausende der Evolution auf die Verarbeitung von Gesichtern spezialisiert und uns zu GesichtsexpertInnen gemacht.
Eine weitere sehr wichtige Rolle von Gesichtern anderer ist, dass sie oft Feedback für unser Handeln geben. Stellen Sie sich vor, ein Kind zeigt der Mutter eine neue Zeichnung. Die Mutter wird wahrscheinlich daraufhin lächeln und das Kind für seine Bemühungen loben. Dieses Lächeln sagt dem Kind, dass die Mutter seine Handlungen gutheißt. Da eine positive Rückmeldung und das Lächeln der Mutter typischerweise belohnend sind, wird das Kind in Zukunft wahrscheinlich ähnliche Handlungen ausführen, um die Mutter erneut zum Lächeln zu bringen. Somit hat die Mutter das Kind mit einem Lächeln belohnt. In der Tat gibt es viele Beispiele in der wissenschaftlichen Literatur, die zeigen, dass das Belohnungsnetzwerk des Gehirns (eine Gruppe von Strukturen im Gehirn, die für das Erkennen von belohnenden Reizen und deren Verarbeitung verantwortlich sind) aktiviert wird, wenn wir lächelnde Gesichter und Gesichter unserer Nahestehenden sehen.
Doch nicht alle Gesichter sind für uns gleich wichtig und bekannt. Einige von ihnen sind vertraut: Wir haben sie schon einmal gesehen und kennen sie oft sehr gut, wie die unserer Eltern, Freunde, ArbeitskollegInnen oder sogar einer Verkäuferin im örtlichen Supermarkt. Einige dieser Personen sind besonders sozial relevant für uns, wie Familienmitglieder, Partner und Freunde. Einige sind weniger relevant, aber dennoch vertraut, wie z. B. ein Nachrichtensprecher im Fernsehen. Und schließlich gibt es einige, die uns unbekannt und irrelevant sind, wie z. B. Fremde, denen wir auf der Straße begegnen. Die Gesichter, denen wir jeden Tag begegnen, unterscheiden sich also in ihrem Grad an Vertrautheit und sozialer Relevanz. Aber ändern Vertrautheit und soziale Relevanz, wie lohnend wir diese Gesichter finden?
WAS WIR IN DER STUDIE GEMACHT HABEN
Um zu sehen, ob Vertrautheit und soziale Relevanz die Belohnungswerte von Gesichtern unterschiedlich beeinflussen, haben wir eine Studie entworfen, in der wir die Teilnehmer zwei Aufgaben lösen ließen, bei denen sie Bilder von lächelnden Gesichtern sehen konnten. Die auf den Bildern abgebildeten Personen waren mehr oder weniger vertraut und mehr oder weniger sozial relevant. Die am wenigsten vertrauten und irrelevanten waren Fremde: Personen, die die Teilnehmer noch nie zuvor gesehen hatten. Andere waren vertrauter, aber kaum sozial relevant: Berühmtheiten (Schauspielerinnen und Sängerinnen). Schließlich waren einige der Gesichter die der Experimentatorinnen: während der Studie wurden sie vertraut und bis zu einem gewissen Grad sozial relevant.
Es gab zwei Aufgaben: eine aktive und eine passive. Bei der passiven Aufgabe wurden die TeilnehmerInnen gebeten, nur einen Bildschirm zu beobachten, auf dem wir die lächelnden Gesichter angezeigt haben. Sie mussten nichts tun, um die Gesichter erscheinen zu lassen. Bei der aktiven Aufgabe spielten die TeilnehmerInnen ein Wiederholungsspiel: Sie sahen eine Abfolge von farbigen Tasten auf dem Bildschirm erscheinen und sollten diese auf einem Gamepad wiederholen. Wenn sie erfolgreich waren (und nur dann), sahen sie eines der lächelnden Gesichter als Feedback. In den beiden Aufgaben sahen die Teilnehmer also die gleichen Gesichter, entweder mit Feedback (in der aktiven Aufgabe) oder ohne (in der passiven Aufgabe).
Bei beiden Aufgaben zeichneten wir die Pupillengrößen der Teilnehmer als Reaktion auf die Gesichter auf. Die Pupillen erweitern und verengen sich bei kognitiven und emotionalen Prozessen und wurden zuvor als Indikator für die Belohnungsverarbeitung verwendet.
WAS WIR ERWARTET HABEN
Wir sagten voraus, dass die Pupille beim Anblick von vertrauten und sozial relevanten Gesichtern stärker geweitet (größer) sein würde. Außerdem erwarteten wir, dies nur (oder mehr) bei der aktiven Aufgabe zu sehen, und nicht bei der passiven. Unsere Überlegung war, dass, wenn die Pupillengrößen die Belohnungsverarbeitung anzeigen, die Gesichter nur dann eine Belohnung darstellen würden, wenn die Teilnehmer etwas tun und dafür ein Feedback erhalten. Wenn sie hingegen passiv lächelnde Gesichter sehen, würden diese Gesichter positive Stimuli sein, aber keine Belohnungen.
WAS WIR Fanden
Wir fanden heraus, dass die Pupille von der Vertrautheit beeinflusst wurde, aber nicht von der sozialen Relevanz. Entgegen unseren Vorhersagen war die Pupille als Reaktion auf vertrautere Gesichter stärker verengt (nicht erweitert). Obwohl die Richtung überraschend war (kleinere statt größere Pupillengröße), zeigt dies, dass Vertrautheit die Belohnungsverarbeitung moduliert. Wie wir erwartet hatten, wurden diese Unterschiede nur in der aktiven und nicht in der passiven Aufgabe gezeigt.
WAS WIR DARAUS MITNEHMEN
Es gibt zwei “Take-Home”-Botschaften aus dieser Studie. Erstens spielt die Vertrautheit von Gesichtern eine größere Rolle bei der Verarbeitung von sozialen Belohnungen als die soziale Relevanz. Mit anderen Worten, unsere Gehirne und Körper verarbeiten Lächeln von bekannten und unbekannten Personen unterschiedlich. Zweitens ist der Feedback-Kontext (aktive vs. passive Aufgabe) entscheidend für die Belohnungsverarbeitung. Wenn wir Menschen einfach nur lächeln sehen, dieses Lächeln aber keine Reaktion auf unsere Handlungen ist, wird es für uns nicht als Belohnung angesehen. Wenn wir hingegen eine Handlung ausführen und ein Lächeln als (positive) Rückmeldung für diese Handlung erhalten, wird dieses Lächeln als Belohnung betrachtet.
Den Originalartikel finden Sie hier (Open-Access-Publikation).